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"Wer nicht neugierig bleibt, der versagt viel früher und wird dann auch keine Lust mehr am Leben haben.

Neugier muss man bis zum Schluss haben."

Hans Helfritz

(1902-1995)

Komponist
Reiseschriftsteller
Musikethnologe
Forschungs- und Abenteuerreisender
Fotograf und Kameramann
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Biografie -- Sich nur einem Gebiet zu widmen bereitete Hans Helfritz (1902-1995) schon früh in seinem Leben Schwierigkeiten. In Greifswald und Berlin aufgewachsen (das Photo zeigt ihn mit seinen Eltern und der Schwester Marlene), musste er nach dem Abitur auf Drängen seiner Eltern eine Banklehre beginnen. Von 1926 bis 1929 studierte Hans Helfritz Kontrabass und Komposition an der Hochschule für Musik in Berlin, unter anderem bei Paul Hindemith, und vergleichende Musikwissenschaft bei Prof. Erich von Hornbostel. Daneben entwickelte er bereits eine rege vielfältige Tätigkeit, bei der er - so wie in seinem späteren Leben - persönliche Interessen mit Arbeit zu verbinden verstand. Er war Stummfilmbegleiter im Kino und verdiente sich auch als Statist in der Staatsoper seinen Lebensunterhalt. Die Arbeit als Korrepetitor im Tanzstudio der Vera Skoronel und Berte Trümpy führte zu ersten Kompositionsaufträgen, wie die 1930 entstandene Ballettmusik Der Kreuzzug der Maschinen (verschollen). Ein erster Erfolg war 1930 die Uraufführung des Konzertes für Cembalo mit kleinem Orchester beim Musikfestival in Bad Pyrmont. Die erste große Forschungsreise in den Orient 1930 gab dem zukünftigen Leben von Helfritz aber eine vollkommen neue Wende. Seit seiner Rückkehr aus aus dem Vorderen Orient (1930) war die Reiseleidenschaft von Hans Helfritz geweckt. Er brachte von dort Photos und Tonaufnahmen zurück und veröffentlichte ein erstes Buch. Seine wichtigste Forschungsreise unternahm er nach Südarabien. Auf Anregung von Prof. von Hornbostel befand sich Helfritz dreimal im Hadramaut und dem damaligen Königreich Jemen (1931-35), wo er als Erster Beduinengesänge aufzeichnete. Ebenso gelang es ihm als erster Europäer in die sagenumwobene und schwer bewachte Stadt Shabwa zu gelangen, was ihm internationale Aufmerksamkeit einbrachte. Wieder veröffentlichte er. Neben Büchern und Photos veröffentlichte er diesmal auch zwei Dokumentarfilme. Zwischen 1935 und 1939 war Hans Helfritz fast immer unterwegs, unter anderem im Fernen Osten und auf dem amerikanischen Kontinent. Er fürchtete im Nazi-Deutschland als Homosexueller denunziert und verfolgt zu werden. Bei Kriegsausbruch 1939 befand er sich in Bolivien, um für ein neues Buch zu recherchieren. Er kehrte nicht nach Deutschland zurück und ging ins Exil nach Chile. Im Exil in Chile musste sich Hans Helfritz zunächst als Postkartenphotograph durchschlagen. Aber schon bald erhielt er Angebote als Photograph und Kameramann an wissenschaftlichen Expeditionen teilzunehmen. Er bereiste das über 4000 km lange Land Chile bis in die Antarktis und gelangte auch auf die weit entfernte Osterinsel. Mehrere Bücher mit seinen Photos erschienen bald nach dem Krieg wieder in Deutschland. In Santiago, vor allem während des zweiten Weltkrieges, lernte Hans Helfritz viele bekannte Musiker und Dirigenten kennen. Darunter den Pianisten Walter Gieseking und den Dirigenten Hermann Scherchen. Die zweite intensive Schaffensperiode als Komponist begann. Vor allem nachdem er 1948 chilenischer Staatsbürger geworden war, konnte Helfritz erstmals an den nationalen Musikwettbewerben teilnehmen. Auf Anhieb errang er mit dem Konzert für Tenorsaxophon und Orchester den ersten Preis. Nach dem 2. Weltkrieg reiste Hans Helfritz wieder nach Deutschland, wo er unter anderem Vorträge über Südamerika hielt. Bis zu seiner Rückkehr 1959 lebte er weiterhin in Santago de Chile. Auf Grund der sich verändernden politischen und ökonomischen Lage Chiles kehrte Hans Helfritz 1959 endgültig nach Europa zurück und ließ sich auf der Baleareninsel Ibiza nieder. Da ihm der Anschluss an die deutsche Musikwelt nicht mehr gelang, konzentrierte er sich mehr auf seine Reisetätigkeit, Bücher und Vorträge und komponierte nur noch gelegentlich. Die 1960er und 70er Jahre blieben intensive Reisejahre, wobei wieder Neugier mit Arbeit verbunden wurde. Seine nach dem Krieg begonnene Tätigkeit als Reiseleiter nutzte er für Buchrecherchen. Reiseführer über Indonesien, Mexiko und Äthiopien entstanden. Als er in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren mehrere Male Afrika bereiste, brachte er auch von dort eindrucksvolle Bilder und einen Reisebericht zurück (Schwarze Ritter. Zwischen Niger und Tschad, 1958). Seinen verschiedenen Interessen ging Hans Helfritz bis ins hohe Alter nach. Nachdem 1990 seine Autobiographie Neugier trieb mich um die Welt erschienen war, in der er anekdotenreich seine Lebensgeschichte niedergeschrieben hatte, entstanden drei Dokumentarfilme über Hans Helfritz, darunter einer zusammen mit dem amerikanischen Schriftsteller und Komponisten Paul Bowles. Helfritz reiste dafür nach Marokko. Noch als 92-jähriger suchte er die Länder Guatemala, Chile und Kalifornien auf. Als 1995 bei einer Feier in der Berliner Akademie der Künste das Hans-Helfritz-Archiv in Abwesenheit des Komponisten eingeweiht wurde, lag dieser bereits todkrank in einem Krankenhaus in Duisburg. Nur einen Tag später, am 21. Oktober 1995, starb er dort 93-jährig. Seine Urne wurde in Sant Agustí auf Ibiza beigesetzt (Februar 1996). -- Musik -- Bis 1939 - Hans Helfritz nahm bei dem Schreker-Schüler Paul Höffer Privatunterricht, bis er 1926 in die Hochschule für Musik in Berlin aufgenommen wurde. Von 1926-29 studierte Hans Helfritz dort Kontrabass, Komposition und Musikethnologie und spielte unter Franz Schreker im Hochschulorchester. Seine Lehrer waren unter anderem Curt Sachs, Heinz Tiessen, Egon Petri, Max Butting und Paul Hindemith, bei dem er einen Kurs im Rahmen der Rundfunkversuchsstelle belegte. Erste Erfolge stellten sich ein, darunter die Aufführung des Konzert für Cembalo mit kleinem Orchester (1930) und die Ballettmusik Der Kreuzzug der Maschinen an der Berliner Volksbühne am Bülowplatz in der Choreographie von Vera Skoronel (1930, verschollen). Nach dieser ersten intensiven Schaffensperiode verdrängten die Reiseaktivität und das Bücherschreiben seine Kompositionsarbeit. Exil I: 1939-1948 - Als Helfritz 1939 nach Chile ins Exil ging, leitete dies die zweite und vielleicht kreativste Kompositionsphase seines Lebens ein. Nur bestand die Tragödie der deutschen Musik im Exil darin, dass der ihr förderliche Kontext fehlte. Santiago de Chile zwischen 1939 und 1959 war nicht das Berlin der 1920er Jahre. Eine Kontinuität zur Berliner Zeit herzustellen war auch für Hans Helfritz kaum möglich. Die fremde Umgebung inspirierte den Komponisten zu originellen Werken. In Südamerika notierte er Weisen, die später in seinem Werk Anwendung fanden. Er sammelte pentatonische Melodien von Indio-Stämmen in Bolivien und Peru, und schrieb mit diesem Material einen 14 Stücke umfassenden Klavierzyklus, den er unter dem Titel Aru Amunyas veröffentlichte. In Chile begegnete Hans Helfritz vielen Musikern, darunter der Dirigent Hermann Scherchen, der sich für sein Werk einsetzte und das Konzert für Tenorsaxophon und das Orgelkonzert in seinem Musikverlag Ars Viva veröffentlichte. "Die Musikszene während der Kriegsjahre war in Santiago damals durchaus nicht provinziell. Wir hatten bedeutende Dirigenten wie Victor Tevah, Erich Kleiber und Fritz Busch. Dann kamen berühmte Solisten aus dem Ausland: Iturbi, damals noch als Pianist, Arthur Rubinstein gab Konzerte, und später nach dem Kriege war Walter Gieseking einer der ersten, der großen Erfolg in Santiago hatte." Exil II: 1948-1959 - Helfritz lernte in Santiago den jungen chilenischen Komponisten Juan Allende-Blin und den deutschen Organisten Gerd Zacher kennen, der von 1954-1957 an der deutschen Kirche in Santiago tätig war. Mit beiden blieb er lebenslang freundschaftlich verbunden. Für Zacher entstanden verschiedene Orgelstücke: Fünf Spielstücke für Orgel (1965), Fünf Stücke für Orgel (1977) und Tres composiciónes für Orgel (1985). Erst nach dem Krieg und nachdem er 1948 chilenischer Staatsbürger geworden war, erhielt Hans Helfritz Kontakte zur Musikwelt Chiles. Die Uraufführung seines Concertino für Klavier und Orchester (Anfang November 1947, Santiago de Chile) war ein Erfolg, doch bedeutete das Konzert für Tenorsaxophon und Orchester (UA 1948) den wirklichen Durchbruch des Komponisten in Chile. Er erhielt beim Musikfestival "Extensión Musical" in Santiago de Chile den ersten Preis. Helfritz inspirierte sich immer wieder von der Volksmusik der Andenvölker, setzte sie aber eher unbewusst in seinen Werken um, mit Ausnahme von Aru Amunyas, Musica folklorica de Bolivia (1940), in der er Indiomelodien für das Klavier bearbeitete. Die Musiksprache von Hans Helfritz übernahm schon früh Züge der Groupe des Six, vor allem die der französischen Komponisten Darius Milhaud und Francis Poulenc, aber aus einem sehr deutschen Blickwinkel. Zurück in Europa (1959-1995) - Da Hans Helfritz der Anschluss an die deutsche Musikwelt nicht mehr gelang, konzentrierte er sich mehr auf seine Reisetätigkeit, Bücher und Vorträge und komponierte nur noch gelegentlich. Jetzt vor allem für befreundete Musiker wie das Prager Duo, das er auf einer Vortragsreise kennengelernt hatte und das Stück Balearische Impressionen für Xylophon und Klavier (1979) widmete. Als eine der letzten Kompositionen entstand in Sant Agustí die temperamentvolle Schlagzeugsuite Vier Phantastische Impressionen aus Mittelamerika für Schlagzeug (1990), die vom WDR-Fernsehen aufgezeichnet wurde. Auch in diesem Alterswerk griff der Komponist nochmals auf Erinnerungen an südamerikanische Rhythmen zurück. Die Werke von Hans Helfritz sind kommerziell nie verlegt worden mit Ausnahme dokumentarischer Konzertmitschnitte aus Chile und der Nachkriegszeit in Europa und mit Ausnahme der Rundfunkaufnahmen deutscher Sender und einer im Juni 1995 erschienen privat verlegten CD. Ebenso sind viele seiner Kompositionen noch nicht aufgeführt worden. Sie befinden sich im Hans-Helfritz-Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Für die Dokumentarfilme, die Hans Helfritz für die Ufa-Kulturfilmabteilung drehte (sechs sind erhalten), komponierte er teilweise auch die Musik.Musikalische und tänzerische Bräuche wurden in jedem Film ausführlich thematisiert und sorgfältig mit passender Musik unterlegt. Fern von jeder epigonenhaften pseudosymphonischen Musik, wie sie für viele in der NS-Zeit gedrehten Kulturfilme typisch war, fand Hans Helfritz zu einer eigenen Klangsprache durch die Verwendung der Musik fremder Kulturen. Helfritz zog wie in seinem Film über Mexiko eine klare Instrumentierung und kleine Orchesterbesetzung vor. Um größtmögliche Authentizität bemüht, hatte er für den Film über Guatemala Melodien und die für das Land typischen Rhythmen gesammelt und notiert. Bei seiner Rückfahrt lernte er auf dem Schiff Marimbaspieler aus Guatemala kennen und engagierte sie nach Berlin, um dort mit ihnen seine Filmmusik aufzunehmen. Hans Helfritz, der Kurse in vergleichender Musikwissenschaft bei Professor Erich von Hornbostel belegt hatte, reiste 1930 durch Palästina, Ägypten, Syrien und Mesopotamien und brachte von dort Photos und Tonaufnahmen für das Berliner Phonogramm-Archiv zurück. Darunter Hirtengesänge, Brautlieder und instrumentale Musik der Beduinen. Prof. von Hornbostel regte eine weitere Reise an, die zur wichtigsten seines Lebens werden sollte. Im Hadramaut und dem damaligen Königreich Jemen sollte Helfritz Beduinengesänge aufnehmen, von denen es damals noch keinerlei Aufnahmen gab. Die auf Wachswalzen aufgenommene Musik wurde durch Prof. v. Hornbostel und Robert Lachmann ausgewertet, die ihre Erkenntnisse in dem Aufsatz Asiatische Parallelen zur Berbermusik im Jahre 1933 veröffentlicht haben. Sie wiesen Parallelen zwischen der Musik Südarabiens und der der Berber Nordafrikas nach. Diese Aufnahmen waren der bedeutendste Beitrag von Hans Helfritz auf dem Gebiet der Musikethnologie. Was er an Musik in Mittel- und Südamerika sammelte diente nicht der Wissenschaft sondern als Grundlage für seine Filmmusik und Kompositionen wie dem Klavierzyklus Aru Amunyas. Nur einmal noch war Hans Helfritz als Musikethnologe tätig, als er in den 1960er Jahren Äthiopien besuchte (Harmonia Mundi, HM 1715). -- Einzelwerken -- Konzert für Cembalo mit kleinem Orchester (1930): Durch Vermittlung seines Lehrers Max Butting wurde das Konzert für Cembalo mit kleinem Orchester 1930 beim Musikfest der Internationalen Gesellschaft für neue Musik (IGNM) in Bad Pyrmont uraufgeführt, gespielt vom Dresdner Philharmonischen Orchester unter Walter Stöver mit der Cembalistin Julia Menz als Solistin. Die Funkstunde Berlin übertrug das Werk im Radio. Max Butting schrieb in seinem Tätigkeitsbericht: "Eine Komposition von Hans Helfritz konnte für das Pyrmonter Musikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik empfohlen werden, sie wurde für das von der Funkstunde Berlin übertragene Konzert angenommen und galt uns als Beispiel einer Arbeit, die sowohl als Concertstück als auch als typisches Rundfunkstück anzusehen ist." (in: Rundfunkversuchsstelle bei der staatlichen akademischen Hochschule für Musik. Tätigkeitsberichte der Dozenten 1.10.29-30.9.30, Bl.III des Berichtes). Musik für den tänzerischen Unterricht (1933): Hans Helfritz hatte während seines Studiums als Korrepetitor im Tanzstudio der Vera Skoronel und Berte Trümpy gearbeitet, die den Sprech- und Bewegungschor der Volksbühne leiteten. Für das Tanzstudio schrieb Hans Helfritz den Klavierzyklus Musik für den tänzerischen Unterricht (1933), eine Sammlung von neun Klavierstücken, die wie ein perpetuum mobile immer wieder von vorne gespielt werden können. In Stimmung und Rhythmik sind sie inspiriert von der Tanzmusik der 1920er Jahre. Sie erschienen 1933 im Verlag Benno Balan. Concertino für Klavier und Orchester (1940): "Ich hielt mich 1940 einige Zeit auf einem Gut in der Nähe des Lago de Villarica auf. In dem Gutshaus gab es einen wunderschönen Flügel, und ich konnte wieder Klavier spielen und komponieren. Bei diesem Aufenthalt komponierte ich ein Concertino für Klavier und Orchester, das dann aber erst später - 1947 - in Santiago uraufgeführt wurde. Es war die knappe Form, die ich außerordentlich reizvoll fand, und die den Concertinos von Arthur Honegger und Jean Françaix nahestand." (aus: Neugier trieb mich um die Welt, S. 161). Das Concertino für Klavier und Orchester wurde mit Oscar Gacitúa am Klavier und dem Orquesta Extensión Musicál unter der Leitung von Victor Tevah uraufgeführt. Die Kritiker der Uraufführung nahmen das Werk sehr gut auf. Sie begeisterten sich für seine spontane und natürliche Musikalität. Für Helfritz war dies bedeutsam, da es das erste Orchesterwerk war, mit dem er in Santiago an die Öffentlichkeit trat. Aru Amunyas (1940): Ein unmittelbares Ergebnis seiner Forschungsreisen stellte die Sammlung Aru Amunyas. Musica folklorica de Bolivia mit vierzehn Klavierstücken dar. Sie entstand Anfang der 1940er Jahre in Santiago und wurde dort im Eigenverlag von Helfritz herausgegeben. In der Vorbemerkung gab Hans Helfritz eine allgemeine Einführung zur Musik der Stämme der Quechua und Aymarás. Außerdem folgte zu jedem Stück eine gewissenhafte Erläuterung des ursprünglichen Sachverhaltes, etwa um welches Instrument oder welche Art des Tanzes es sich handelte und zu welcher Gelegenheit die Musik erklang. "Wenn ich mich hier zur Veröffentlichung einer Sammlung von Klavierstücken entschließe, denen alte pentatonische Melodien zugrunde liegen, so bin ich dabei bemüht gewesen, vor allem auch die Rhythmik und Dynamik indianischer Tanzstücke wiederzugeben, soweit das eben bei einem Klaviersatz möglich ist. Moderne Klangmischungen lassen, glaube ich, das Leben und Treiben indianischer Tanzfeste recht gut nachempfinden." (aus dem Vorwort zu Aru Amunyas, 1940). Konzert für Tenorsaxophon und Orchester (1943, UA 1948): "In Chile habe ich dann wieder mehr komponiert und hatte die Gelegenheit, meine Werke aufführen zu lassen und auch - als ich dann Chilene geworden war, teilzunehmen an den chilenischen Wettbewerben, den chilenischen Musikfesten. Alle zwei Jahre fand in Santiago ein Musikfest statt, das zwei Wochen lang dauerte, an jedem Tag war ein Konzert, und zwar wurden bei diesen Konzerten nur Kompositionen von chilenischen Komponisten aufgeführt. Jetzt galt ich als chilenischer Komponist. Und da konnte ich nun teilnehmen und mich bewerben um die Preise, die damals für solche Kompositionen verteilt wurden. Nun wurde zum Beispiel mein Konzert für Saxophon und Orchester an einem dieser Musikfeste aufgeführt. Und dafür gab es drei Preise. Ich bekam für dieses Konzert den ersten Preis, der so hoch war, dass ich dafür eine Reise nach Europa hin und zurück machen konnte." Das Konzert für Tenorsaxophon und Orchester bedeutete für Helfritz den Durchbruch in der Musikwelt von Santiago. Er hatte 1948 beim Musikwettbewerb der "Extensión Musical" in Santiago de Chile dafür den ersten Preis erhalten. Das dreisätzige Werk ist ein "farbiges, lebendiges Stück mit prägnanten Rhythmen und einer brillanten Verwendung der typischen Qualitäten des Saxophons" (Juan Allende-Blin in MusikTexte 62/63). Die Aufführung im Teatro Municipal in Santiago fand begeisterte Aufnahme bei Publikum und Kritik. "Das Konzert für Saxophon und Orchester … ist ein Werk von echtem rhythmischen Wert und solider formaler Beschaffenheit. Der Komponist erscheint hier ausgerüstet mit einer Technik, die gleichzeitig mit der Ausbildung eines völlig individuellen Stils entstanden ist. Sein Ausdruck ist direkt und vermeidet so alle Ambivalenz." (Juan Orrego Salas im "El Mercurio", Santiago, 16.12.48). Vier Phantastische Impressionen aus Mittelamerika für Schlagzeug (1990): Hans Helfritz bediente sich in dieser Komposition nochmals der Rhythmen Mittelamerikas und schrieb für einen Fernsehfilm dieses farbenfrohe, rhythmisch abwecklungsreiche Alterswerk. "Musik für Schlaginstrumente interessierte mich nur, wenn auch Melodienführungen möglich waren. So entstand diese Komposition in vier Sätzen, bei der ich neben Trommeln und Burmagongs Vibraphon, Xylophon und ein Marimbaphon verwendete, Instrumente also, die Themen, Melodien und Harmonien erzeugen können. Die Komposition weist keine Melodien oder Rhythmen aus Mittelamerika auf, und wenn, dann sind sie nur indirekt aus meiner Erinnerung in dieses Werk mit hineingeflossen. Auch hier ist der Titel frei erfunden. Er entstand für den Fernsehfilm des WDR über Paul Bowles und mich mit dem Titel >Neugier trieb uns um die Welt<." (aus: Booklet zur CD Kompositionen von Hans Helfritz). Fünf Orgelstücke (1977): "Für Gerd Zacher komponierte ich diese Orgelstücke. Die einzelnen Sätze sind grundverschieden in Stimmung und Konzeption. Die Registrierung der Stücke stammt von ihm, angepaßt an die Orgel der evangelischen Kirche in Essen-Rellingehausen. Die Uraufführung dieses Werkes fand 1977 auf Ibiza statt. -- Bücher -- Reiseberichte: Hans Helfritz hielt nach der ersten Veröffentlichung (Unter der Sonne des Orients, 1931) seine Reisen in Wort und Bild fest. 25 Bücher hat er insgesamt veröffentlicht, viele sind auch in andere Sprachen übersetzt worden. Im Exil verfasste er als letztes Buch eines über Bolivien (Im Quellgebiet des Amazonas), das wie geplant noch 1942 im Safari Verlag Berlin erschien. Danach konnte Helfritz erst wieder im Jahre 1951 Bücher in Deutschland veröffentlichen. Neben den Reiseberichten und Reiseführern schrieb er auch ein Geschichtsbuch über die Inka, Maya und Azteken (Amerika, Wien 1965). Reiseführer: Hans Helfritz hatte es immer verstanden seine verschiedenen Tätigkeiten miteinander zu verbinden. Als er nach seiner Rückkehr aus dem Exil Reiseleiter geworden war, nutzte er dies um Recherchen für spätere Bücher zu machen. Er verfasste neben dem ersten Kunstreiseführer einer neuen Reihe des DuMont Verlages in Köln (Die Götterburgen Mexikos, 1968) zahlreiche weitere Reiseführer unter anderem zu Indonesien, Marokko, Mexiko und Äthiopien. Autobiografie: 1990 erschien Neugier trieb mich um die Welt, die Autobiographie von Hans Helfritz. Die Niederschrift erfolgte unter der Mitarbeit von Jean-Claude Kuner auf Grund mehrwöchiger Gesprächsaufzeichnungen. Ein Teil widmet sich den wesentlichen Stationen seines Lebens. Ein anderer besteht aus der amüsanten Anekdotensammlung ungewöhnlicher Begebenheiten, die Hans Helfritz bei seinen zahlreichen Reisen widerfahren sind (erschienen 1990 im DuMont Verlag, Köln; vergriffen). -- Film-Foto: Hans Helfritz drehte bei seinen Reisen Dokumentarfilme für die Ufa-Kulturfilmabteilung, von denen sechs erhalten sind. Helfritz interessierte sich für die fremden Kulturen und ließ dies in seinen Filmen spürbar werden. Ohne distanzierten Blick versuchte er die Menschen mit Sympathie und Wärme darzustellen. Die Kamera stellte er direkt ins Geschehen, was den Betrachter unmittelbar in das Treiben hineinzog. Dadurch erzielte er gerade bei Tanzszenen eine besondere Dramatik und Lebendigkeit. In allen seinen Filmen zeigte sich auch das starke Interesse von Hans Helfritz an Musik und Tanz anderer Völker. Als er sich 1937/38 zweimal in Mittelamerika und den Vereinigten Staaten aufhielt, um Vorträge zu halten und für die Ufa zu drehen, gelangen ihm in Mexiko die allerersten Filmaufnahmen der Voladores - Tänze (Steinschlangen und Vogelmenschen), einem Tanz, der zur Zeit der spanischen Eroberung verboten war, sich im Geheimen aber erhalten hatte und außerhalb Mexikos vollkommen unbekannt war. Anfang 1939 kam dieser Kulturfilm in die Kinos. Der Krieg beendete seine Tätigkeit für die Ufa. Im Exil in Chile entstanden nun Werbefilme und dokumentarische Aufnahmen seiner Expeditionen. Hans Helfritz drehte umfangreiches Material zu geplanten Dokumentarfilmen, darunter einen über den Avocadoanbau in Chile, Mexiko, Guatemala und Kalifornien. Das Projekt wurde aber nie realisiert. Weitere Filmaufnahmen machte Helfritz in Afrika, die er aber nicht weiter verwerten konnte. Warum er in den 1960er Jahren keinen Kontakt zum Fernsehen bekam, ist nicht bekannt. Ein Grossteil des unveröffentlichten Filmmaterials der Nachkriegszeit ist erhalten geblieben und befindet sich im Hans-Helfritz-Archiv des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln. Seit Beginn seiner Reisetätigkeit in den 1920er Jahren bis zu seinem Tod 1995 war der Photoapparat der ständige Begleiter von Hans Helfritz. Vor allem von seinen Reisen in den Vorderen Orient und durch Süd-Arabien brachte er eindrucksvolle Photos zurück. Er gewann das Vertrauen der Menschen, die er photographierte und erreichte dadurch eine Unmittelbarkeit, die auch bei seiner Kameraführung im Film zu beobachten war. Alles wurde photographiert. Menschen, fremde Sitten und Bräuche, Musiker und Tänzer, Städte und Landschaften. Von diesen Reisen sind über 3000 Negative erhalten. Zu Beginn seines Exils in Chile schlug sich Helfritz zunächst als Postkartenphotograph durch. Dann verpflichtete man ihn als Photograph an Expeditionen teilzunehmen, darunter eine zur Erforschung der Malaria, eine andere organisiert vom archäologischen Museum in Santiago, eine weitere nach Feuerland. Nach dem Krieg photographierte er auch wieder für seine eigenen Publikationen und Vorträge. Über 25 000 Photos entstanden allein in Südamerika. Im Frühjahr 1996 fand in Köln eine erste Würdigung des photographischen Werkes von Hans Helfritz (insgesamt über 80 000 Photos) anlässlich einer Photoausstellung der Agfa-Photo-Historama im Walraff-Richartz-Museum statt. Dort wurden bisher unveröffentlichte Bilder aus dem Vorderen Orient gezeigt, die sich heute neben seinem filmischen Schaffen im Hans Helfritz-Archiv des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln befinden. Dort wurden 2002 anlässlich des 100. Geburtstages von Hans Helfritz in einer digitalen Photopräsentation die bisher erfassten und archivierten Photos der Öffentlichkeit erstmals präsentiert. Zunächst nur ein Bruchteil des Bestandes - an die 6000 Bilder. -- Reisen -- Hans Helfritz war nach den erfolgreichen Reisen seiner Studienzeit ein lebenslanger Forschungs- und Abenteuerreisender geworden, der seine Erkundungen in Wort und Bild auswertete. Ab 1930 war er ständig unterwegs. Er bereiste den Vorderen Orient (1930), Südarabien (1931-1935), Indien, Malaysia, Japan und China (1935/36), Mexiko, Guatemala und die USA (1937/38). Vom Kriegsausbruch wurde er in Bolivien überrascht. Während und nach dem Exil hatte er die Gelegenheit Chile und die angrenzenden Länder ausführlich zu bereisen und als Photograph und Kameramann an zahlreichen wissenschaftlichen Expeditionen teilzunehmen, darunter eine zur Erforschung der Malaria, eine andere organisiert vom archäologischen Museum in Santiago die Mumien im Norden des Landes zu erfassen, eine andere nach Feuerland und der Osterinsel, sowie eine Expedition in die Antarktis. Auch nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1959 blieb Helfritz seiner Reiseleidenschaft treu. Jetzt arbeitete er als Reiseleiter und führte Gruppen sachkundig unter anderem durch Indonesien, Äthiopien und Mexiko In den Semesterferien 1930 reiste Hans Helfritz nach Ägypten, Palästina, Syrien und Mesopotamien. Den ersten Buchvertrag hatte er bereits vor Reisebeginn abschliessen können. Prof. von Hornbostel gab seinem Studenten einen Phonogrammapparat nebst Wachswalzen mit, um Aufnahmen aus dieser Region mitzubringen, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellte. Während das Christlich-Archäologische Institut in Jerusalem einen Film über Ausgrabungen in Palästina in Auftrag gab. Es wurde der erste Film von Hans Helfritz. Diese Reise brachte wichtige Erfahrungen für den Forschungsreisenden, Musikethnologen, Autor und Kameramann. Neben dem musikethnologischen Auftrag in Südarabien reizte Hans Helfritz auch der Wettlauf verschiedener Abenteurer, darunter Freya Stark und St. John Bridger Philby, wer die sagenumwobene Stadt Shabwa mit seinen sabäischen Ruinen aus biblischen Zeiten als erster erreichte. Die dort herrschenden Beduinen wähnten unter den Ruinen die vergrabenen Schätze der Königin von Saba und verweigerten jedem Fremden den Zutritt. Nach einem ersten gescheiterten Anlauf gelang ihm 1935 das lebensgefährliche Abenteuer tatsächlich. Als erster Europäer betrat Hans Helfritz Shabwa, drehte im Morgengrauen unter Lebensgefahr einen Film für die Ufa und photographierte. Diese Reise brachte ihm internationale Anerkennung und Einladungen zu Vorträgen vor der Royal Ancient Society (1936) in London und vor der National Geographic Society (1937) in Washington, zu denen er auch seinen Film zeigte. Hans Helfritz finanzierte alle seine Reisen aus Tantiemen seiner Bücher und Vorträge und indem er Schiff- und Fluggesellschaften in seinen Filmen und Artikeln erwähnte, erhielt er als Gegenleistung Freifahrten. 1935, am Ende seiner Jemen-Reise, fuhr Hans Helfritz auf diese Weise Richtung Osten weiter und lernte so die alten Handelswege der Jemeniten kennen, die bis nach Indonesien reichten. Er besuchte Indien, Ceylon und die Cameron Highlands in Malaysien, wo er den Ureinwohnern des Stammes Sakai begegnete und sie photographierte. Nach seinem Besuch in China und Japan kehrt er von Shanghai auf dem neuen Schiff Scharnhorst nach Deutschland zurück und veröffentlichte seine Erlebnisse und Photos in zwei Büchern (Im Urwald von Malaya; Ewigkeit und Wandel im Fernen Osten, beide 1936). Später nach dem Krieg führte Helfritz Reisegruppen nach Indonesien, und verfasste einen Reiseführer über das Inselarchipel. Zwei Monate Zeit lang reiste Hans Helfritz nach seinem Aufenthalt in den USA durch Guatemala und Mexiko, wo für die Ufa weitere Filme entstehen sollten. Unter anderem gelang es ihm in Mexiko erste Aufnahmen der Tänze der Voladores zu machen. Im Hochland von Guatemala begegnete er auch erstmals der Kultur und Musik der Indios, die er filmte und photographierte und ihn von da an zeitlebens faszinierten. Nachdem sein Jemen-Buch in Nordamerika erschienen war (Land without Shades, 1936) bekam Hans Helfritz ein Angebot für eine Vortragsreise durch die USA. Der wichtigste Vortrag fand 1937 vor der National Geographic Society in Washington statt, zu dem er auch seinen Film zeigte. Er nutzte diese Reise auch, um in Kalifornien und Florida Kulturfilme für die Ufa zu drehen. 1938 gelangte er erneut nach Amerika, um weitere Vorträge zu halten, und danach die Reise nach Mittelamerika fortzusetzen. Hans Helfritz hatte einen Vertrag mit dem Safari-Verlag geschlossen, ein Buch über Südamerika herauszubringen. Bereisen wollte er die Länder Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien. Vom Kriegsausbruch überrascht und ohne die Absicht nach Deutschland zurückzukehren blieb ihm nun mehr Zeit als erwartet, um das Land zu erforschen. Er unternahm eine Abenteuerfahrt in das Quellgebiet des Amazonas, das Beni-Gebiet. Helfritz interessierte sich auch wieder für die Indios und deren Musik, eine Inspiration für seine spätere Komposition Aru Amunyas. Das Buch über Bolivien Im Quellgebiet des Amazonas erschien wie geplant 1942 im Safari Verlag Berlin. 1945 unternahm Hans Helfritz eine Expedition nach Feuerland. Im Auftrag des Smithsonian Institute unter der Leitung von Prof. Alejandro von Lipschütz sollten die letzten noch lebenden Indianerstämme dokumentiert werden. Helfritz nahm als Fotograph an dieser Expedition teil. Um Anspruch auf das Territorium erheben zu können, errichtete Chile 1947 in der Antarktis eine Station. Hans Helfritz nahm an dieser Expedition als Kameramann teil. Unter dem Eindruck der majestätischen Natur, den Eisbergen und der Tierwelt verfasste Hans Helfritz ein Buch über die Antarktis (Zum weißen Kontinent, 1947). Nach dem zweiten Krieg waren die Verbindungen zu den deutschen Buchverlagen wiederhergestellt und Hans Helfritz konnte erneut Reisepläne schmieden. Der Safari-Verlag bestellte ein Buch über die Westküstenländer Afrikas. In Liberia, Nigeria und Guinea, dieser neuen und fremdartigen Umgebung, gelangen Helfritz noch einmal beeindruckende Photoserien. 1961 bereiste er Westafrika ein weiteres Mal, diesmal im Auftrag von Nikolas Nabokov, um Musiker und Tänzer für ein geplantes Festival der Unesco in Brasilien zu finden, das allerdings aus Geldmangel nie stattgefunden hat. In den sechziger Jahren führte Hans Helfritz Reisegruppen nach Äthiopien und verfasste einen Kunstreiseführer über dieses Land.